Zucker – unser süßes Leben

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Von Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll

Der Anstieg des Konsums ist gewaltig

Zum Frühstück ein „gesundes“ Müsli, ein Riegel für den „kleinen Hunger“ zwischendurch und am Nachmittag Kaffee und Kuchen....die zuckerlastigen Angebote im Alltag sind verführerisch. Doch nicht nur Süßigkeiten und Co liefern uns den allseits geschätzten Geschmacksträger, auch Pizza, Ketchup, Sandwiches, Fertiggerichte und Konserven wie z. B. Essiggurken enthalten häufig Zucker.

Während der Verbrauch in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch bei durchschnittlich 28 Kilogramm pro Person und pro Jahr lag, sind wir inzwischen bei stattlichen 34 Kilogramm im Durchschnitt pro Kopf und pro Jahr angekommen. Laut den Zollaufzeichnungen des Deutschen Reichs verzehrten unsere Vorfahren gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Durchschnitt sogar nur etwa 6,2 Kilogramm pro Jahr. Maximal 10% des gesamten Kalorienbedarfs sollten in Form von zugesetztem Zucker aufgenommen werden – so die Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch vor wenigen Jahren. Inzwischen hat die WHO allerdings die Empfehlung deutlich – auf höchstens 5% der täglichen Kalorienzufuhr - begrenzt. Das bedeutet im Klartext: Maximal 25 Gramm (das entspricht 6 Teelöffel) pro Tag und pro Kopf. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Tatsächlich liegt die Aufnahme im Durchschnitt bei unglaublichen 24 Teelöffel Zucker/Tag.

Kinder und Zucker – ein problematisches Gespann

Gesüßtes Milchpulver, gesüßte Tees und Riegel – es geht schon bei den Kleinen los. In vielen Produkten, die zur Ernährung von Babies und Kleinkinder angeboten werden, ist noch immer zugesetzter Zucker enthalten. In einer kürzlich publizierten Stellungnahme der American Heart Association (AHA) wird die Empfehlung ausgesprochen, dass Kinder bis zum Lebensalter von bis zu 2 Jahren überhaupt keinen zugesetzten Zucker konsumieren sollten. Unabhängig davon, dass zu viel Zucker gerade auch für Babies und Kleinkinder, deren Stoffwechselsystem empfindlich auf diesen Stoff reagiert, ungesund ist, werden damit schon die Kleinsten auf den Geschmack „getrimmt“ von dem sie dann auch in späteren Lebensjahren unter Umständen kaum lassen können.

Zu viel Zucker macht alt und krank

Die Zuckerbilanz unserer heutigen Zeit birgt zahlreiche gesundheitliche Gefahren. Da wäre vor allem die Zunahme an überschüssigen Pfunden zu erwähnen. In Deutschland sind, nach Angaben des Robert Koch Institutes, zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig. Bei den Kindern und Jugendlichen sieht es ebenfalls nicht gut aus: 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen (Alter drei bis 17 Jahre) bringen zuviel Pfunde auf die Waage, 40% davon sind sogar adipös (fettleibig). Der Anstieg des Zuckerkonsums dürfte hierbei einen wesentlichen Anteil haben. Dieser Zusammenhang wurde in jedem Fall für zuckerhaltige Getränke und Limonaden bestätigt. Auch die Häufigkeit des Typ2-Diabetes (sogenannter „Altersdiabetes“) ist bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren signifikant angestiegen.

Deutliche Hinweise gibt es auch für Folgeerkrankungen, die u. a. durch bestehendes Übergewicht gefördert werden, wie z. B. Diabetes mellitus (Typ 2) oder Herz-, Kreislauferkrankungen. Ebenso steigt das Risiko für Krebserkrankungen an. Unabhängige Experten (Internationale Krebsforschungsagentur IARC, zur WHO gehörend) fanden Hinweise durch bestehendes Übergewicht (und Adipositas) auf etwa 13 Krebsarten (u. a. Darm-, Brust-, Gebärmutterhals- , Schilddrüsen-, Bauchspeicheldrüsenkrebs und Hirntumore).

Auch die Zahngesundheit wird durch einen übermäßigen Zuckerkonsum negativ beeinflusst. Karies ist, gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die häufigste chronische Infektionserkrankung. Etwa die Hälfte aller Kinder sind betroffen. Schließlich kann der Zucker (vor allem Fruktose: Fruchtzucker) auch Lebererkrankungen (z. B. Fettleber) sowie Gicht begünstigen und die Hirnleistung beeinträchtigen. Und zu guter Letzt fördert die süße Zutat auch Entzündungen und triggert die Verzuckerung der Eiweiße in unserem Körper ( AGES : „Advanced Glykation Endproducts“). Letztere spielen im Zuge des Alterunsprozesses eine wesentliche Rolle. Zu viel Zucker macht also vorzeitig alt!

Woher kommt sie – die Sucht nach Zucker?

Die Evolution hat es gut mit uns gemeint: Für unsere frühen Vorfahren, die noch als Jäger und Sammler unterwegs waren, machte z. B. der süße Geschmack von Früchten deutlich, dass es sich hier um ein energiedichtes Nahrungsmittel handelt, was in Zeiten der knappen Ernährungsmöglichkeiten durchaus interessant war. Gleichzeitig waren die von Natur aus süßen Nahrungsquellen ein Zeichen dafür, dass es sich um essbare Produkte handelt weil z. B. Bitterstoffe, die häufig als Abwehrsubstanzen in den Pflanzen gebildet wurden und nicht immer gut verträglich waren, fehlten. Und so sind wir – evolutions- , und genetisch bedingt, auf Zucker „getrimmt“. Allerdings müssen die Menschen heutzutage nicht mehr kilometerweit laufen um ihre Nahrung zu finden sondern kaufen ganz bequem im Supermarkt ein. Zuckerkonsum und Bewegungsmangel stellen somit ein gefährliches Duo dar.

Macht Zucker abhängig?

Wenn die Sinneszellen in den Geschmacksknospen auf der Zunge erst einmal die Süße wahrgenommen haben werden Impulse über die Nervenbahnen in das Gehirn weitergeleitet. Dort werden Nervenbotenstoffe gebildet, die mit unserem Belohnungszentrum, welches im vorderen Hirnareal sitzt, in Wechselwirkung treten. Über Erregungspotentiale werden in anderen Gehirnstrukturen Emotionen wie Freude, Wohlbefinden Zufriedenheit und Glücksgefühle entwickelt. Macht Schokolade also glücklich? Kurzfristig möglicherweise ja, aber bei längerfristigen Aufnahme von zuviel Süßem kann das Verlangen nach Nachschub extrem gesteigert werden. Echte Zuckerjunkies können „ein Lied davon singen“. Kaum ist der süße Riegel vertilgt stellt sich das Verlangen nach „mehr“ ein. In der Wissenschaft wird daher Zucker als mögliche Droge derzeit näher untersucht. Einige Forscher gehen davon aus, dass das Zusammenspiel aus der Bereitstellung von Glücksstoffen im Gehirn wie Serotonin und Dopamin und der dadurch bedingten Aktivierung des Belohnungszentrums nach dem Genuss zuckerhaltiger Mahlzeiten ein drogenähnliches Suchtverhalten begünstigen kann.

Raus aus der Zuckerfalle – beginnen Sie mit dem ersten Schritt

Zunächst einmal gilt es den eigenen täglichen Speiseplan unter die Lupe zu nehmen. Hier kann es hilfreich sein sich Notizen zum täglichen Verzehr von Lebensmitteln zu machen. Ein solches „Ernährungstagebuch“ gibt Aufschluss über Zuckerfallen im Alltag. Versuchen Sie sich Schritt für Schritt an eine frische und pflanzenbetonte Kost zu gewönen, wobei vor allem der Verzehr von Gemüse empfehlenswert ist. Früchte enthalten zwar natürlicherweise Fruchtzucker, aber eben auch wichtige Ballaststoffe und Mikronährstoffe. Daher rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) nicht grundlegend vom Verzehr dieser Nahrungsmittel ab. Verzichten Sie in jedem Fall auf mit Zucker gesüßte Getränke. Ungesüßte Tees und mit Zitrone, Ingwer oder Minze aromatisiertes Wasser bieten eine gesunde Alternative. Meiden Sie, nach Möglichkeit, Fertiggerichte und bereiten Sie, so oft Sie können, Ihre Mahlzeiten selbst zu. Nur dann wissen Sie was in Ihrem Essen tatsächlich enthalten ist. Versteckte Zuckerquellen haben hier keine Chance. Beim Backen kann man auf Zuckeralternativen (wie z. B. Stevia) mit hoher Süßkraft verwenden, deren Energiewert vernachlässigbar ist.

Quellen:

Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Evidenzbasierte Leitlinie: Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten. Bonn, 2. Version (2015) Dietary Guidelines Advisory Committee (DGAC): Scientific Report of the 2015 Dietary Guidelines Advisory Committee. February (2015) – Download der Leitlinie

Eck KM et al.: "Your Body Feels Better When You Drink Water": Parent and School-Age Children's Sugar-Sweetened Beverage Cognitions. Nutrients. 2018 Sep 5;10(9). pii: E1232. doi: 10.3390/nu10091232.

European Food Safety Authority (EFSA). Scientific Opinion on Dietary Reference Values for carbohydrates and dietary fibre. EFSA Journal 8 (2010) 1462

Hauner et al. Evidence-Based Guideline of the German Nutrition Society: Carbohydrate Intake and Prevention of Nutrition-Related Diseases. Ann Nutr Metab 60 (suppl 1) (2012) 1-58

Lauby-Secretan B. et al. : Int. Agency Res. Cancer Handbook Working Group. Bodyfatness and Cancer – Viewpoint of the IARC Working Group. N. Engl. J. Med. (2016) 375 (8): 794-789

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PMID:28639973

WHO: Guideline: Sugars intake for adults and children. Geneva, World Health Organization(2015). www.who.int/nutrition/publications/guidelines/sugars_intake/en/

https://www.krebsinformationsdienst.de/aktuelles/2016/news67-uebergewicht-adipositas-krebsrisiko-iarc.php

 
 
 
 

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Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll