Tatort Haut – Schadstoffe in der Kosmetik

 

Interview mit Günter Reichelt zum Thema kosmetische Inhaltsstoffe

 

Ein Blick in ein Frauenmagazin reicht: Dort übertrumpfen sich die Kosmetikhersteller gegenseitig mit großen Versprechungen. Die Regale sind voll mit glänzenden Cremedosen, scheinbar jeden Tag kommen neue Produkte hinzu, die weitere Wunder versprechen. Doch was genau steckt eigentlich in all den teuren Cremes? Tue ich meiner Haut damit wirklich nur Gutes? Das unabhängige Verbraucherschutzportal kosmetikanalyse.org will Klarheit schaffen. In einem seiner seltenen Interviews sprachen wir mit dem Gründervater Günter Reichelt.

 
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Guten Tag, Herr Reichelt. Zuallererst: Benötigen wir über- haupt Kosmetik?
Günter Reichelt: Auf jeden Fall, anders als unsere Großeltern. Als ich klein war, so in den 50er Jahren, hat meine Familie nur ein Mal in der Woche gebadet. Wer Glück hatte, war als Erster in der Wanne. Heute duschen wir ein bis zwei Mal am Tag. Unsere Haut ist aber für diese intensive Reinigung, noch dazu mit aggressiven Tensiden, gar nicht gemacht. Das ständige Reinigen wäscht die wichtigen Lipide aus und zerstört den Säureschutzmantel und den für die Hautgesundheit so extrem wichtigen Bakterienschutz. So können z. B. die deutlich höheren Belastungen durch die Umweltverschmutzung prima die Haut schädigen. Wir müssen also unsere Haut nachfetten und ihr wichtige Schutz-, Wirk- und Nährstoffe zuführen. Somit ist es logisch, dass für die Haut schädliche Stoffe, die heute in weit über 90 Prozent aller Kosmetika enthalten sind, für alle Hautfunktionen kontraproduktiv sind. In diesem Zusammenhang ist es also extrem wichtig für die Hautgesundheit, nur schadstofffreie Kosmetik zu nutzen. Alles andere ist nahezu verrückt. Kosmetikanalyse ist angetreten, die Verbraucher über die Risiken und Nutzen kosmetischer Inhaltsstoffe aufzuklären, ohne Rücksicht auf Hersteller und Marken.

Apropos Marken: Ist teure Kosmetik besser als preiswerte Produkte?
Nein, dieses Image stimmt nicht. Im Gegenteil! Sie können das auf unserem Portal sehr gut selbst nachsehen. Je teurer das Produkt, desto schlechter die Qualität, würden Sie anschließend sagen.

Okay, aber was ist mit Apothekenkosmetik? Die wird doch sicherlich besser sein.
Auch hier muss ich Sie enttäuschen. Alle denken: Wenn etwas aus der Apotheke kommt, ist es speziell geprüft und daher gut. Aber es gibt gar keine spezielle Prüfung oder Zulassung, damit Hersteller ihre Kosmetikprodukte über die Apotheke verkaufen können. Es ist lediglich ein Vertriebsweg wie jeder andere auch, z. B. Drogerien, Parfümerien, Naturkostläden oder Kosmetikinstitute. Dass Apothekenkosmetik sogar schädlicher sein kann als andere im Markt befindliche Produkte, zeigen die von Endverbrauchern analysierten Produkte. In den meisten Produkten namhafter Apothekenmarken sind nach wie vor hormonaktive Parabene und karzinogene Hilfsstoffe zu finden. Zwei Drittel aller Produkte bestehen fast nur aus chemischen Zusatzstoffen und enthalten nur wenige hautidentische Wirkstoffe. Deshalb kann Apothekenkosmetik oftmals sogar schädlicher für die Haut sein als herkömmliche Wirkstoffkosmetik. Wer also geneigt ist, Apothekenkosmetik mit Gesundheit und hautfreundlichen Produkten gleichzusetzen, wird durch den Blick auf die INCI-Liste ganz schnell eines Besseren belehrt.

Ist Naturkosmetik denn eine hautschonende Alternative?
Ja – mit einer Ausnahme: Für Allergiker und Menschen mit empfindlicher Haut ist Naturkosmetik eher nicht geeignet, denn die enthaltenen Pflanzenauszüge sind von Natur aus selten absolut rein. Somit können die eingesetzten Pflanzenstoffe zahlreiche Substanzen beinhalten, welche die Haut reizen. Ansonsten sind zertifizierte Naturkosmetikprodukte im Wesentlichen ohne schädliche Inhaltsstoffe und schädigen somit die Haut nicht. Besonders junge, problemfreie Haut kommt mit solchen Produkten sehr gut zurecht, da sie ja noch nicht so geschädigt ist. Natürliche Öle fetten die Haut nach und andere Naturstoffe helfen der Haut, in ihrer Schutz- und Abwehrreaktion fit zu
bleiben. All dies spielt sich jedoch lediglich auf und in den oberen Hautschichten ab. Auf tiefer gelegene Hautregionen hat Naturkosmetik keine direkte Auswirkung. Darum kann man eine effektive und tiefgreifende Anti-Aging-Wirkung von Naturkosmetik in der Regel auch nicht erwarten. Bei bereits geschädigter Haut, also vor allem älterer Haut, sollten die Konsumenten darum besonders auf die in den Produkten enthaltenen
Nährstoffe achten. Nur mit solchen Inhaltsstoffen lassen sich mittel- und langfristige Verbesserungen der Haut erreichen.
Auch hier möchte ich noch einmal auf unser Verbraucherportal hinweisen. Dort können Vitamine, Enzyme, Spurenelemente, Mineralstoffe und essentielle Fettsäuren, die für einen gesunden Hautstoffwechsel so wichtig sind, identifiziert werden.

Warum verzichtet die Industrie nicht auf die vielen schädlichen Stoffe? Und warum werden diese Stoffe nicht von den Regierungen verboten?
Grundsätzlich gilt, dass es für jeden schädlichen Stoff mindestens eine hautfreundliche Alternative gibt. Also steht diesem Paradies eigentlich nichts im Wege. Allerdings sind die wertvollen Stoffe auch deutlich teurer, die Herstellprozesse sind aufwändiger und komplexer und der Aufwand, bestehende Rezepturen zu ändern, ist enorm. Da kommen also einige
wirtschaftliche Erwägungen zum Tragen. Häufig fehlt aber wohl auch das richtige Verständnis für die Haut und die Hautgesundheit. Marketingüberlegungen stehen im Vordergrund.
Aber selbst wenn in dem einzelnen Produkt die gesetzlich
vorgeschriebenen Konzentrationen der Stoffe eingehalten sind: Schädliche Inhaltsstoffe sind auch in vielen anderen Produkten enthalten, die wir täglich verwenden: Duschgel, Shampoo, Bodylotion, Lippenstift, Haarfärbemittel, Maskara, Masken, Augen- und Halspflegeprodukte ... Alles zusammen ergibt einen gefährlichen Giftcocktail. Dieser geht dann ganz sicher weit
über die gesetzlich vorgeschriebenen Konzentrationen hinaus. Das beeinträchtigt nicht nur unsere Hautfunktionen, sondern gefährdet unsere Hautgesundheit und unsere Gesundheit im Allgemeinen. Auch hier kann die Kosmetikanalyse ein hilfreiches Instrument zur Überprüfung sein.
Und die Politik? Na ja, die reagiert ja erst, wenn jahre- oder jahrzehntelange Proteste sowie unzählige wissenschaftliche Studien vorliegen. Erst dann begibt man sich vielleicht so langsam an die schwierige Aufgabe, die Interessen der Industrie zu tangieren. Ich denke, die Hautgesundheit oder überhaupt die Gesundheit ist vor allem Sache der Menschen selber. Wir müssen lernen, mehr Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Das ist aufwändiger, als sich auf Vorhandenes zu verlassen. Aber dafür gibt es ja unser herstellerneutrales Verbraucherportal: Wir erleichtern schnell und nachvollziehbar die Suche nach den richtigen Informationen und Erkenntnissen.

 
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2005 begann Günter Reichelt, im Auftrag der Stiftung zur Förderung der Hautgesundheit ein Online-Verbraucherschutzportal zur Überprüfung der Risiken und Nutzen von kosmetischen Inhaltsstoffen und Kosmetik zu entwickeln.

Als einziges Portal in diesem Bereich ist kosmetikanalyse.org auch heute noch hersteller- neutral und daher auch werbefrei. Es ist ausschließlich mitgliederfinanziert und gilt als führender Premiumanbieter in diesem Metier.
Für unsere Mitglieder sind aktuell die Analysen von über 50.000 Produkten einsehbar.